Alarm! Auf Tinas Handy wird der Alarm Dispatcher ausgelöst, im Rhein-Main-Gebiet wird eine Fotografin gebraucht, die „das erste und das letzte Bild“ eines kleinen Menschen macht, der den Sprung ins Leben nicht oder nur für eine kurze Zeit geschafft hat. 

Über eine Handyapp erreicht die ehrenamtlichen Fotografinnen und Fotografen von Dein Sternenkind die Alarmmeldung wenn sich in ihrer Region Eltern Bilder ihres Sternenkindes wünschen. 

Tina, selbst dreifache Mutter, ist seit 2 Jahren eine von ca. 600 ehrenamtlichen Fotografinnen und Fotografen, die sich bei der Stiftung Dein Sternenkind registriert haben, um Eltern kostenlos und unkompliziert Erinnerungen an die kurze gemeinsame Zeit mit ihren Kindern anzubieten.

Tina drückt den Kreis mit dem Häkchen in ihrer App und meldet im internen Fotografen-Forum zu welchen Zeiten sie den Einsatz übernehmen kann. In der Regel findet sich im Rhein-Main-Gebiet zeitnah eine Fotografin oder ein Fotograf, um zunächst als Ansprechperson den Kontakt zu der Klinik oder den Eltern herzustellen. Oft übernimmt die Ansprechperson anschließend auch den Einsatz, andernfalls organisiert er oder sie, dass jemand den Einsatz übernimmt, der oder die sich im Forum als Backup gemeldet hat. 

Auf Grund der wachsenden Bekanntheit des Angebots steigt auch die Einsatzdichte. Zuletzt wurden monatlich bis zu 400 Sternenkinder von den Fotografinnen und Fotografen von Dein Sternenkind fotografiert. Dein Sternenkind ist immer auf der Suche nach Menschen, die sich ehrenamtlich für die Sternenkindeltern engagieren möchten.

Tina hat ihre Fototasche immer für einen Einsatz vorgepackt um direkt losfahren zu können wenn es mal schnell gehen muss. Auch eine Tasche mit Erinnerungsstücken und Kleidung für die Kinder steht bereit. Gerade wenn die Chance besteht, das Kind noch lebend in den Armen der Eltern zu fotografieren, ist oft höchste Eile geboten: In App und Forum ist dann die zentrale Frage, welcher Fotograf oder welche Fotografin kann sofort losfahren. 

Die Absprache im Forum ist erledigt, Tina übernimmt den Einsatz. Sie ruft die Klinik an, in der das Sternchen fotografiert werden soll und klärt den Rahmen ab: Wann und wo sollen die Fotos gemacht werden? Benötigt die Fotografin einen Schnelltest oder wird einer in der Klinik gemacht? Möchten die Eltern dabei sein und sind sie auf Corona gestestet? 

In der Klinik angekommen, meldet sich Tina am Empfang. Von dort wird sie zu der entsprechenden Station weitergeleitet, wo das Stationspersonal sie in der Regel schon erwartet. 

Oft gibt es ein kurzes Briefing zum Kind, wie es den Eltern geht, ob diese bei den Fotos dabei sein möchten und ob es irgendetwas Besonderes zu beachten gibt. Außerdem müssen die Eltern eine Einverständniserklärung unterschreiben damit das Kind fotografiert werden darf. Manchmal begleiten weitere Familienmitglieder die Eltern, manchmal Seelsorgerinnen oder Seelsorgern.

Nach einer kurzen Vorstellung und der Erklärung, wie der Einsatz ablaufen wird, holt Tina die Kameras aus der Tasche. Sie hat immer zwei Kameras dabei, damit auch im Falle eines Defekts immer ein Backup vorhanden ist. Meistens gibt es nur diese eine Möglichkeit, die wichtigen Bilder als Erinnerung für die Eltern zu machen. 

„Meist beginne ich damit einige Details des Kindes zu fotografieren: Hände und Füße.“ 

Auch ein Portrait gibt es von fast jedem Sternenkind. 

„Je nachdem ob die Eltern das möchten fotografiere ich das Kind anschließend mit ihnen. Manchmal ergibt sich das auch erst im Laufe des Fotografierens.“

Nach einer halben bis einer Stunde sind die Fotos in der Regel gemacht und diese Zeit ist bei jedem Einsatz einzigartig. Manche Eltern, wollen ihr Baby nicht aus der Hand geben, jede Minute mit ihrem Kind ist ihnen kostbar. Andere Eltern trauen sich nicht ihr Kind zu berühren.

Gerade Kinder, die sehr früh geboren wurden, sind nur wenige Zentimeter groß und wirken sehr filigran. Tina hat mittlerweile Erfahrung im Handling von Sternenkindern und kann den Eltern zeigen, wie sie ihr Kind halten und kuscheln können. 

Jedes Elternteil geht mit dieser Situation anders um, aber was in den meisten Einsätzen zu spüren ist, sagt Tina, sind die Liebe der Eltern zu ihrem Kind und die Trauer. 

Das kleinste Kind, das Tina fotografiert hat, ist in der 16. Schwangerschaftswoche verstorben, das größte hat seinen Eltern ein paar gemeinsame Stunden geschenkt. 

Nach dem Einsatz werden zuerst die Bilder gesichert und dann ein wenig ruhen gelassen. In der Regel bearbeitet Tina die Bilder dann am Wochenende, bestellt eine Hand voll Abzüge und schickt diese zusammen mit einem USB-Stick mit allen bearbeiteten Bildern innerhalb von zwei Wochen an die Eltern. 

„Das erste Mal in Kontakt mit dem Thema bin ich vor 5 Jahren auf einem Fotoworkshop gekommen, bei dem ein anderer Fotograf erzählte, dass er für Dein Sternenkind fotografierte. Ich war zum einen sehr beeindruckt und zum anderen habe ich gedacht: Das könnte ich niemals!“ Sie folgte dem Fotografen und Dein Sternenkind dennoch bei Instagram und Facebook. Als sie dann vor 2 Jahren von einem anderen Fotografen angesprochen wurde, ob sie sich nicht auch selbst vorstellen könnte, mitzumachen, sagte sie zu und hat seither 45 Eltern Bilder ihrer Kinder geschenkt. 

„Seit meinem ersten Sternchen bin ich da rausgegangen und ich war so glücklich, dass ich es erstens mal geschafft habe, diese Bilder zu machen und seit dem ist es so, dass ich glücklich darüber bin, dass ich mit wenig – also einfach nur mit meiner Arbeit als Fotografin: Auslöser drücken – es schaffen kann, Menschen so etwas Wertvolles zu schenken.“

Gerade heute sind durch die Möglichkeiten auch mit dem Handy Fotos zu machen, diese oft nichts Besonderes mehr für die Menschen, „aber für die Sternenkindeltern ist es was ganz ganz Besonderes. Du bist als eine der wenigen Personen in so `ner ganz krassen Phase drin, in Trauer, Liebe, Verzweiflung und die Menschen da ein Stück weit begleiten zu dürfen“ ist besonders. 

Daher versucht Tina auch, „dass wir wirklich kein Kind unfotografiert lassen. Das ist für mich das allerwichtigste, egal wie es einem geht, man versucht dann doch immer alles möglich zu machen.“

Einzelne Einsätze könnten durchaus mal belastend sein, dann kann sie sich mit anderen Fotografen und Fotografinnen aus dem Netzwerk dazu austauschen. Die meisten Einsätze, sagt Tina aber, hinterlassen ein so positives Gefühl, dass es Motivation genug ist, auch beim nächsten Alarm wieder auf das Häkchen zu drücken und sich im Forum für den Einsatz zu melden.